Verlag | Kampa Verlag, AKI Verlag |
Auflage | 2021 |
Seiten | 240 |
Format | 13,0 x 2,0 x 21,0 cm |
Gewicht | 353 g |
ISBN-10 | 3311350006 |
ISBN-13 | 9783311350002 |
Bestell-Nr | 31135000M |
»Es tut mir leid.« Das sind die Worte, die Jamaica Kincaid wieder und wieder hört, nachdem ihr jüngerer Bruder Devon 1996 an Aids gestorben ist. Sie erzählt von seinem Tod, nur um diese Worte zu hören. Dabei kannte sie ihn kaum. Erst drei Jahre alt war Devon, als Kincaid ihre Heimat Antigua verließ, um sich in den USA ein neues Leben aufzubauen. Zwanzig Jahre ist das her. Als sie erfährt, dass ihr Bruder schwer krank ist, reist sie zurück, zu ihm, nach Antigua, in die eigene Vergangenheit, in ein Leben voller Hoffnungslosigkeit und Armut - und stellt sich ihren Dämonen, den Verstrickungen ihrer Familie, der zerstörerischen Beziehung zu ihrer Mutter, für die Kincaid all die Jahre nur Abneigung empfinden konnte. Voller Zorn ist sie zwanzig Jahre zuvor auf und davon, wollte alles hinter sich lassen. Aber kann man das je? Nun findet sie allmählich ihren Frieden, kann Gegenwart und Vergangenheit miteinander aussöhnen.»Eines Tages geschieht vielleicht etwas, und dann werde ich verstehen , dass alles, was ich heute fühle, was keine Liebe zu sein scheint, in Wahrheit doch Liebe ist; dass ich meinen Bruder geliebt habe und die anderen, von denen ich abstamme.«Poetisch, ergreifend und mit großer Klarheit und eindrucksvoller Aufrichtigkeit erzählt Kincaid von Verlust und Abschied, von Hass und Liebe, Nähe und Distanz und den Illusionen, die unser aller Leben prägen. Aus der Verzweiflung wird Zuversicht, aus der Abrechnung die bewegende Geschichte einer Befreiung, einer Selbstfindung.
Leseprobe:
»Als ich Jahre zuvor meine Familie besuchte - ich war sechsunddreißig und er dreiundzwanzig -, lag ich eines Tages im kleinen Haus meines Bruders auf seinem Bett mit den Füßen auf der Fensterbank in der Sonne. Als Kind habe ich immer genauso dagelegen: im Bett und die Füße auf der Fensterbank in die Sonne gestreckt, denn ich hatte immer kalte Füße. Ich las damals viele Bücher, und diese ganze Szenerie, wie ich im Bett lag und las, führte zu Wutanfällen meiner Mutter, denn sie war sicher, es bedeutete, dass ich zu einem Leben in Faulheit verdammt sei, doch wie sich später herausstellte, war ich nur dazu verdammt, Bücher zu schreiben, die andere vielleicht lasen. Während ich auf dem Bett meines Bruders lag, saß er auf der Türschwelle. Normalerweise lag er auf dem Bett. Er lag im Drogendämmer auf dem Bett. Seine Mutter hätte es nicht zugelassen, wenn er eine Frau gewesen wäre; das weiß ich.«