Verlag | Fischer Taschenbuch |
Auflage | 2005 |
Seiten | 480 |
Format | 19 cm |
Gewicht | 510 g |
Reihe | Fischer Taschenbücher 15935 |
ISBN-10 | 3596159350 |
ISBN-13 | 9783596159352 |
Bestell-Nr | 59615935A |
Mit zehn ist sie verheiratet. Mit zwölf Witwe. Mit fünfzehn heiratet sie den König von Böhmen. So steht es in den Chroniken. Als sie endlich ihr eigenes Leben führen will, sperren ihre Brüder sie ein. Ihre Spur verliert sich 1542. Bis in unseren Tagen ein geheimnisvoller Fund die Geschichte der Markgräfin Barbara von Ansbach enthüllt.Ein mitreißendes Historienepos aus Deutschland im Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit.»Eine Geschichte von Machtgier, Intrigen, Liebe und Verrat - die Geschichte einer Frau, die tatsächlich gelebt hat: fesselnd bis zur letzten Seite.«Gong
Leseprobe:
Plassenburg, Dezember 2001
Missmutig stapfte der Kastellan durch den frisch gefallenen Schnee über den Schönen Hof. Die Aussicht auf morgendliche Schneeräumaktionen ließ seine Stimmung auf den Nullpunkt sinken, vor allem weil der Beamte von der Bayerischen Schlösserverwaltung ihm gerade eröffnet hatte, dass der beantragte Zuschuss für ein Spezialräumgerät heuer wieder nicht zu erwarten war. Jeden Winter das gleiche Spiel - Anträge, Formulare, Telefonate, und dann die Ablehnung.
Seit drei Jahren hatte Gregor Haubold nun das Amt des Kastellans auf der Plassenburg inne, und als leidenschaftlicher Heimathistoriker fühlte er sich auf der riesigen Festung wohl. Inzwischen kannte er jeden Gang und jedes verborgene Eckchen, wusste, wo der Putz bröckelte und wo bei starken Regenfällen das Wasser eindrang. Manchmal kam es ihm so vor, als ob er seit Jahrhunderten hier lebte und ein Teil des alten Gemäuers wäre. Dann stellte er sich vor, er sei herrschaftlicher Schlossvogt, und der Hof der Burg bevölkerte sich in seiner Phantasie mit geschäftig umherlaufender Dienerschaft, mit Bauern, die in Fronfuhren den Kraut- und Rübenzehnt ablieferten, mit Schweinen, Hühnern, Tauben und schwänzelnden Hunden.
(...)
Ansbach, September 1525
Hoch erhobenen Hauptes schritt die kleine Markgräfin über den mit Stroh bedeckten Boden des Saales. Es raschelte, als ihre Röcke über die Halme streiften. Man hatte sie für diesen besonderen Tag in Staatsgarderobe gekleidet - sie trug ein schweres perlenbesticktes Brokatkleid, das bis zum Boden reichte, und das zierliche Häubchen der unvermählten Jungfrauen, aus der das dunkle Haar vom Hinterkopf in dicken Flechten herabfiel. Das Gehen fiel ihr schwer, steckten ihre Füße doch heute zum ersten Mal in den modischen breiten Hornschuhen. Aber der Bedeutung des Tages bewusst, gab sich die Achtjährige größte Mühe, nicht zu stolpern.
Sie war keine Schönheit: Ihr Teint war zu dunkel, ihre Brauen zu dicht, ihr Mund zu groß, ihr Haar zu s chwarz. Aber die Pocken hatten ihr Gesicht noch nicht entstellt wie das ihrer älteren Schwester, ihre Haut war glatt und weich wie Samt. Ihr schlanker Hals bog sich in sanftem Schwung und schien fast zu zart, um das schwere Haar zu tragen. Sie bewegte sich anmutig und leicht, in ihrer Gestik kündigte sich schon jetzt eine jungmädchenhafte Grazie an. Die eigenartig hellgrauen Augen blickten ernst, wie man es von der Tochter eines bedeutenden Reichsfürsten erwarten konnte. Für Kinderspiele war kein Platz in der Erziehung einer Markgrafentochter.
Am Ende des Raumes saßen der Markgraf Friedrich von Brandenburg-Ansbach und seine Frau Sophia auf zwei schweren, geschnitzten Stühlen, daneben ein älterer Mann in fremdartiger Tracht.
"Da wäre das Kind nun also", sprach der Markgraf und bedeutete dem Mädchen, näher zu kommen. "Euer Liebden werden bemerken, dass sie ordentlich gewachsen und nicht hässlich ist, wie ich Eurem herzoglichen Vetter nach Schlesien geschrieben habe. Ein wohler zogenes Kind, höflich und säuberlich. Sie kann lesen und schreiben, mit Nadel und Faden umgehen und ist im christlichen Glauben gut unterwiesen."
Der Gesandte, ein weitläufiger Verwandter des letzten Herzogs von Groß-Glogau und Crossen, nickte zufrieden und antwortete: "Ein ansehnliches Mädchen fürwahr, Euer Gnaden - und ihre Gesundheit steht ja wohl außer Frage?"
"Wenn sie ihrer Frau Mutter nachschlägt", und damit wandte sich der Markgraf verschmitzt an seine Ehefrau, die ihm bereits sechs Kinder geboren hatte, von denen allerdings zwei kurz nach der Geburt gestorben waren, "so dürfte der Nachwuchs des Herzogshauses zahlreich werden, so Gott will. Und natürlich sofern der Herzog will." Der Markgraf lachte, dass sein Bauch bebte.
Die kleine Markgräfin stand stolz vor ihrem Begutachter. Sie war die erste der markgräflichen Töchter, für die man einen Antrag erhalten hatte, und sie wollte sich ihrer Familie wohl würdig erwei-sen. Also tat sie, wie man ihr