Diese Erzählungen sind Perlen des Impressionismus, fein gezeichnete Porträts von Menschen, Vignetten von Landschaftenund Stimmungen: Hryhir Tjutjunnyk (1931 - 1980) schrieb auf seine stille Weise an gegen den Strom seiner Zeit. Einer Literatur wie Leben vereinnahmenden Ideologie zum Trotz hielt er fest an seinen künstlerischen Maßstäben wie an seiner Menschlichkeit.Hryhir Tjutjunnyks Erzählungen eröffnen kleine Welten, in denen das Leben fragil erscheint vor der Übermacht der Umstände. Trotzdem sind seine Figuren von unhintergehbarer Würde und unvergesslicher Schönheit. Liebevoll und zugleich mit der lakonischen Distanz des Melancholikers schildert er das Los der einfachen Menschen im Donbass der Nachkriegszeit und eröffnet so Einblicke in die Tiefenstruktur einer Region, die heute wieder in aller Munde ist.»'Ich verspüre den Menschen wie eine Wunde Salz', notierte er Anfang der 1970er Jahre in seinen Tagebüchern. (...) Er schrieb rührende, erbarmungsvolle Erzählungen über die Kin der und Bauern, also über die Unschuldigsten.« (Tanja Malijartschuk)
Hryhir Tjutjunnyk wurde 1931 im Gebiet Poltawa in der Zentralukraine in eine auernfamilie hineingeboren. Als Tjutjunnyk sechs Jahre alt war, fiel sein Vater Mychajlo einer Säuberungswelle zum Opfer. Der Zweite Weltkrieg und die schwere Nachkriegszeit überschatteten Kindheit und Jugend des Autors, der bei Verwandten im Donbass aufwuchs und schon früh gezwungen war, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dazu arbeitete er nach einer Schlosserlehre in der Kolchose, im Bergwerk und in Fabriken. Nach seinemWehrdienst bei derMarine in Wladiwostok schrieb sich Tjutjunnyk in einer Abendschule ein, verfasste erste Kurzgeschichten und ging später an die Universität Charkiw, wo er 1962 ein Philologiestudium abschloss. Danach arbeitete er zunächst als Lehrer, Redakteur und Drehbuchautor, bevor er sich mehr und mehr dem Schreiben widmete. Trotz zahlreicher Auszeichnungen fühlte sich der Schriftsteller, der an sich und sein Schaffen die höchsten Ansprüche stellte, in der bürokratisierten li terarischen Landschaft der Sowjetukraine und unter dem Druck, den die Sowjetmacht auf die künstlerische Kreativität ausübte, nie zu Hause und sah sich nicht in der Lage, sein Talent umfassend zu realisieren. 1980 ging er in den Freitod. 1989 wurde ihm posthum der Taras-Schewtschenko-Preis zuerkannt, diewichtigste staatliche Auszeichnung für herausragendeWerke der ukrainischen Kunst und Kultur. Beatrix Kersten (M.A.), 1972 in Konstanz geboren, studierte Slawistik, Philosophie und Politikwissenschaft, ist gelernte Cutterin und arbeitet u.a. als freie Texterin und iterarische Übersetzerin aus dem Ukrainischen und Jiddischen. Sie lebt in Amsterdam und auf dem Land in Frankreich.
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