Verlag | Transit Berlin |
Auflage | 2022 |
Seiten | 220 |
Format | 14,7 x 2,2 x 21,8 cm |
Gewicht | 392 g |
ISBN-10 | 3887473949 |
ISBN-13 | 9783887473945 |
Bestell-Nr | 88747394A |
Ein vielfarbiges Mosaik von den letzten Tagen der Kaiserzeit über die 20er Jahre, Nazizeit, Krieg und Nachkrieg bis zum Mauerfall und bis heute - lebendige Kindergeschichten, die weit über die Berliner Lokalgeschichte hinausreichen.
Klappentext:
Die »Berliner Kindheiten« sind eine Sammlung von Interviews mit Menschen verschiedensten Alters und verschiedenster Herkunft, die auch filmisch dokumentiert sind. Für die Buchfassung wurden 35 Interviews ausgewählt und zu Monologen verdichtet. 35 Monologe aus Ost und West, aus unterschiedlichen sozialen, internationalen und kulturellen Gruppen. In diesen Monologen erweist sich, wie ungewöhnlich das Leben im »gewöhnlichen« Leben sein kann, wie historische Zäsuren (20er Jahre, Nazizeit, Krieg, Flucht, Emigration, Mauerbau, Wende) sich niederschlagen und wie verschieden sie gesehen und gemeistert werden. Diese Zäsuren, diese (Welt-) Geschichte der letzten hundert Jahre wird durch den privaten, unverstellten und oft ganz eigenen Blick erst plastisch und nacherlebbar.
Leseprobe:
Abini Herzberg (_1967 Ost-Berlin) Für mich war Hautfarbe nie ein Thema, aber sie ist immer ein Thema, weil sie von anderen thematisiert wird. Es waren oft so Kleinigkeiten, z.B. dass mir die Leute immer ungefragt in die Haare griffen. Und da war meine Mutter zum Beispiel sehr cool. Die hat mich dann beim Bäcker auf den Arm genommen und gesagt: 'So, jetzt kannst du der Tante auch mal in die Haare greifen!' Und ich hab es gemacht, weil meine Mama hat es ja gesagt. Aber dann wussten die Leute auch, das man das einfach nicht macht. Jedenfalls alle Frauen, denen ich in die Haare gegriffen habe. Ja, man musste schon ein bisschen durchsetzungsstark sein, sonst war man auch Opfer. Aber bei Kindern ist man ja auch Opfer, wenn man dick ist oder eine Brille trägt oder sonst was. Und deswegen möchte ich nicht immer alles auf die Hautfarbe reduzieren. Das hat mir auch meine Mama beigebracht. Wenn ich ein Problem habe und ich denke, es hat mit der Hautfarbe zu tun, soll ich scharf nachdenken u nd erst mal alles andere kategorisch ausschließen. Und wenn es dann wirklich etwas mit der Hautfarbe zu tun hat, dann soll ich ihm zwischen die Beine treten. Ich habe mir nichts gefallen lassen. Einmal bin ich richtig rassistisch beleidigt worden. Ich bin zur Polizei gegangen und wollte eine Anzeige machen. Das war nicht möglich und deswegen sind auch so wenig rassistische Vorfälle in der DDR erfasst, weil die Anzeigen wurden gar nicht aufgenommen. In der Schule wurde auch alles runter gespielt. Irgendwann habe ich mal eine 5 bekommen und da ist meine Mutter zur Direktorin gegangen und hat gesagt: 'Binchen, du wartest jetzt hier draußen, Mama macht das!' Ich stand draußen und hörte, wie meine Mutter sagte: 'Ich bestehe darauf, dass meine Tochter die 5 bekommt.' Und ich dachte, 'Hä? Mama ist doch hier, dass ich die nicht bekomme!' Dann hat sie die Tür zugemacht, hat mich an die Hand genommen und hat mir zugezwinkert. Und draußen hat sie mir erklärt, 'Deine Direktorin würde nie im L eben machen, was ich ihr sage, im Leben nicht!' Ich habe die 5 wirklich nicht bekommen.