Verlag | Edition Korrespondenzen |
Auflage | 2023 |
Seiten | 120 |
Format | 15,5 x 1,4 x 19,1 cm |
Gewicht | 285 g |
ISBN-10 | 3902951761 |
ISBN-13 | 9783902951762 |
Bestell-Nr | 90295176A |
Hamed Abboud, der 2014 als syrischer Flüchtling nach Österreich kam, ist als Geschichtenerzähler ein Kulturenverbinder und Brückenbauer par excellence. In seinem neuen, auf Deutsch verfassten Buch berichtet er von seinem Aufwachsen in der syrischen Provinzstadt Deir al-Zor, wo sein Vater als Mathematiklehrer und als Inhaber einer Bäckerei tätig war. Aus erinnerten Episoden webt er einen zauberhaften Geschichtenteppich, der das Leben der Familie Abboud wie kleine Filmszenen vor unseren Augen aufscheinen lässt.Im Mittelpunkt des erzählerischen Mosaiks steht der zu schrägem Humor neigende Vater, der aber nie mit der Familie in Urlaub fährt, weil er es nicht fertigbringt, auch nur ein paar Tage von seiner Bäckerei zu lassen. Entscheidende Fäden hält freilich die Mutter in der Hand, die als »Ausbildungskreuzritterin « die Zimmerwände mit Lehrstoff bekritzelt, um den schulischen Erfolg ihrer Kinder zu beflügeln, und so die Wohnung zu einem »Matura-Trainingslager« macht.Wir erfahren aber auch, wie Sohn Hamed trotz all ihrer Versuche, ihn in die Bahn einer vernünftigen Berufsausbildung zu lenken, sich zum Schriftsteller entwickelt - und wie er eines Tages verblüfft die Entdeckung macht, dass fast alle in der Familie Gedichte geschrieben, dies aber beharrlich für sich behalten haben.
Leseprobe:
DER HUNDEFLÜSTERERMein Vater behauptete immer, dass Tiere die Angst der Menschen spüren können und aggressiv darauf reagieren. Deshalb setzte er alles daran, seine Angst vor Tieren zu überwinden. Vor allem verstand er sich mit den Straßenhunden wie kein anderer und konnte ihnen sogar Befehle erteilen, was ich mir bedauerlicherweise nicht von ihm abschauen konnte. Ich wagte es als Kind nur mit großer Überwindung, Hunde zu berühren.Es wurde mir erzählt, dass mein Vater es mit seiner Macht über Hunde ein wenig übertrieben hatte, als er sich in eine Plastikkiste ohne Räder mitten auf die staubige Dorfstraße gesetzt, die Hunde daran mit der Leine festgebunden und sich damit mobil gemacht hatte. Hinter ihm sah man nur eine Staubwolke.Meine Onkel, die mir diese Geschichte erzählt hatten, lachten über meinen Vater, wobei ich sie nicht lustig fand und spürte, dass alle eifersüchtig auf ihn waren. Wahrscheinlich, weil nicht jeder Jugendliche wilde Tiere zähmen und sich ein eigenes ökologisc hes Transportmittel schaffen kann.