Verlag | Verlag am Rande e.U. |
Auflage | 2022 |
Seiten | 214 |
Format | 15,1 x 1,7 x 21,1 cm |
Klappenbroschur | |
Gewicht | 342 g |
ISBN-10 | 390325942X |
ISBN-13 | 9783903259423 |
Bestell-Nr | 90325942A |
Wird die Leidenschaft eines alternden Mannes für junge, schöne Mädchen zur Obsession, kann sich eine verhängnisvolle, zerstörerische Leidenschaft entwickeln, die wahrer Liebe keinen Raum lässt.Italo Svevos unglücklicher Protagonist, psychologisch wunderbar einfühlsam in seiner Novelle "Der alte Herr und das schöne Mädchen" porträtiert, findet in Udo Fellners Roman einen zeitgenössischen Nachfolger, der sich nicht weniger tragisch, doch ungleich skrupelloser im Netz seiner amourösen Begierden verstrickt. Anders als sein literarisches Vorbild gestattet der Autor seinem Helden Severin aber eine späte Läuterung. Das LEIDEN AN DEN SCHÖNEN MÄDCHEN wird zum Ausdruck eines schmerzlichen und notabene vergeblichen Versuchs, die schwindende Jugend und ihre Freuden festzuhalten.
Leseprobe:
Severin sah sich oft nach schönen Mädchen um. Lange bevor ihn Chiara verlassen hatte, war er dieser Obsession, anders konnte man das wohl nicht nennen, schon verfallen. Dass ihm Chiara dieses merkwürdige Interesse zuletzt doch übelgenommen und daraus den Schluss gezogen hatte, dass ihre Zeit mit ihm vorbei und die Loslösung von ihm unumgänglich sei, war zu befürchten gewesen. Sie hatte sich dazu erst nur kryptisch geäußert und lediglich sarkastisch bemerkt, dass ihrer beider Interessen am Leben auffallend divergierten, doch zuletzt war ihr die Situation unerträglich geworden und sie hatte ihre Verbindung mit Severin schon aus reiner Selbstachtung beendet. Es waren die schlanken, biegsamen Körper dieser Mädchen, ihre frischen Gesichter und ihre Unbekümmertheit, wenn sie sich unbeobachtet fühlten, die seine Aufmerksamkeit geweckt hatten. Er beobachtete sie gerne, wenn sie in Gruppen auftraten, einander in exaltierter Herzlichkeit umarmten, über ihre nichtssagenden Geschichten lachte n, sich unterhakten und gemeinsam durch die Stadt zogen, auf der Suche nach irgendwelchen lächerlichen Abenteuern, die sie einander kichernd und prustend anvertrauten. Ihre im gleichen Takt schwingenden Hüften in den engen Hosen oder kurzen Röckchen erregten seine Fantasie. Gerne folgte er ihnen; und sosehr ihn einerseits ihr kindisches Verhalten langweilte, sehnte er sich danach, an ihrer naiven Begeisterungsfähigkeit teilhaben zu können, in der absurden Hoffnung, damit ein Stück jener Leichtigkeit wiederzugewinnen, die er an ihnen beobachtete und an sich vermisste. Er erinnerte sich an seine Kindheit und Jugend. Er hatte das Gefühl, nie jung gewesen zu sein, nie unbekümmert, ausgelassen oder unvernünftig, immer ernst und kontrolliert. So war er von seiner Mutter erzogen worden, die großen Wert darauf gelegt hatte, dass aus ihm ein vernünftiger und tüchtiger Mann würde. Dieses Versäumnis lastete schwer auf ihm. Seine Kameraden waren ständig in Raufereien und Streit aus nichtigen Anlässen verstrickt, aus denen er sich immer herauszuhalten suchte. Sie logen und verstießen lustvoll gegen alle Regeln, die ihr Leben einfrieden sollten. Auch wenn er ihr Verhalten abscheulich fand, die Freiheit, die sie sich für ihre waghalsigen Unternehmungen nahmen, und die Unbekümmertheit, mit der sie sie verfolgten, neidete er ihnen. Für ihn hatte die Befolgung der Regeln stets Vorrang vor einem etwaigen Verstoß gegen sie, auch wenn er ihren Sinn nicht immer verstand. Die Mutter hatte ihm beigebracht, dass es nicht darauf ankam, sie zu verstehen, sondern sie nicht in Frage zu stellen. Im Laufe seines Lebens hatte er begriffen, was sie gemeint hatte. Regeln schützten vor dem Chaos, das den Sinn des Lebens bedrohen konnte, der nach allem, was er zu wissen glaubte, in Ordnung, Übersichtlichkeit, Planbarkeit und Pflicht bestand. In Pflicht vor allem.