Verlag | Verlag am Rande e.U. |
Auflage | 2024 |
Seiten | 192 |
Format | 15,2 x 1,6 x 21,2 cm |
Klappenbroschur | |
Gewicht | 309 g |
ISBN-10 | 3903259497 |
ISBN-13 | 9783903259492 |
Bestell-Nr | 90325949A |
Magda wird in eine traditionelle Mühlviertler Familie geboren, die sich so sehr einen Stammhalter wünscht. Dieser nicht erfüllte Wunsch ihrer Eltern und das damals übliche patriarchale Denken werden ihr Leben von Beginn an prägen. Auch in ihren Beziehungen gerät sie mehrfach in die Fänge althergebrachter Rollenbilder.Ihr innerer Kampfgeist und die Sehnsucht nach Freiheit und Gleichwertigkeit melden sich wiederholt. Dennoch - oder gerade deswegen - erlebt Magda ihr Tal der Tränen. Am Tiefpunkt ihres Lebens geht sie auf eine Reise, die sich als Wendepunkt erweist.
Leseprobe:
An diesem glücklichen Herbstabend wusste Magda noch nicht, was sich ein paar Wochen später ereignen sollte. Ihr erster Schultag war ein zugleich aufregender, aber auch erfreulicher. Nun gehörte sie zu den Großen, war dem Kindergarten entwachsen, eine Schulanfängerin eben. Sie wurde in der Klosterschule der Armen Schulschwestern von unserer Lieben Frau in eine der hinteren Bänke gesetzt, weil sie groß genug war, um über alle Köpfe hinwegzublicken. Es war ein Morgen gemischter Gefühle, die sich auch körperlich zeigten. Hände und Füße waren eiskalt, der Kopf fiebrig heiß. Trotzdem verkündete Magda beim Frühstück ihrer Mutti, dass sie auch einmal Lehrerin werden wolle. Ohne eine Schule je gesehen und erlebt zu haben. Zum Erstaunen aller begrüßte die Schülerinnen und Schüler der ersten Volksschulklasse ein Herr Lehrer, seines Zeichens Ordensbruder bei den Marianisten, der gleich am ersten Tag wusste, wie man jungen Menschen Angst und Respekt einflößte. Er zeigte ihnen seinen Rohrstock für die bösen Kinder, die damit eines auf die Finger kriegen sollten. "Hände auf den Tisch!" So hieß es dann und schon sauste der Stock auf den Handrücken. Wegziehen half da nichts. Der Vorgang wurde wiederholt. In dieser Klasse gab es kein Verhandeln und keine Widerrede. Wer nicht brav war, wurde bestraft. Entweder mit Rohrstock oder Eselsbank, wohin unverbesserliche Aufrührer verbannt wurden. Meistens waren es die Buben. Zusätzlich gab es in des Herrn Lehrers Erziehungsmaßnahmenschatzkiste ein paar linke Fäustlinge, alles Exemplare, die für diejenigen gedacht waren, die mit der linken Hand schreiben wollten, was aber strikt verboten war. Sie sollten schließlich "Schönschreiben" lernen, und das ging natürlich nur mit der "schönen" Hand, der rechten. Es war eine Atmosphäre der klirrenden Kälte und der glimmenden Hitze, die den Kindern schon auch einmal den Atem rauben konnte. Dermaßen eingeschüchtert, saßen sie alle sehr still auf ihren Stühlen. Magda vergaß vor Beklemmung beinahe zu atmen. Ihr Bauch schmerzte wieder und ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie starrte geradeaus auf den Herrn Lehrer und bewegte sich erst, als dieser sagte: "Nehmt den Bleistift heraus und legt ihn auf den Tisch. Liegen lassen und Federschachtel schließen." Sie mussten sich wohl oder übel an diesen Befehlston gewöhnen. Schade, denn Magda kramte so gern in ihrer Federschachtel aus Holz. Da war zum Beispiel ein Bleistift mit der Nummer 2B. Radiergummi war verboten, denn was man zu Papier bringen würde, egal ob gut oder schlecht, sollte stets sichtbar sein. Fehler konnte man so nicht mehr auslöschen. Dann war da noch ein Buntstift mit einem roten und einem blauen Ende, mit dem sie als Hausaufgabe eine Zierleiste malen durften. Der Bleistift hatte ab diesem ersten Tag stets in der dafür vorgesehenen Rinne im Tisch zu liegen. Auch er musste still gehorchen. Seine Spitze musste immer nach links zeigen. So waren Mensch und Objekt brav gestellt und der Tag war für den Herrn Lehrer schon um acht Uhr morgens gerettet.