Platt ist nicht platt - Eine Hommage an meine Trierische Muttersprache
Verlag | Weyand |
Auflage | 2018 |
Seiten | 176 |
Format | 15,0 x 21,6 x 1,9 cm |
Gewicht | 342 g |
ISBN-10 | 3942429969 |
ISBN-13 | 9783942429962 |
Bestell-Nr | 94242996A |
In Trier ist das wichtigste aller einst verbindenden Elemente, die gemeinsame Mundart, das Trierer Platt, kaum noch zu hören. Seit der Zeitgeist es vor Jahrzehnten befahl, trauen sich mittlerweile nur noch wenige, ihre Muttersprache in der Öffentlichkeit zu verwenden. Ein wichtiges und reiches Kulturgut droht verloren zu gehen. Heute ist die Mundart ein Patient auf der Intensivstation. Dieses Büchlein ist so etwas wie ein Infusionstropf. Vielleicht hilft es dem Patienten wieder ein wenig auf die Beine.
Leseprobe:
Dieses Vorwort ist ein wenig wehmütig und weinerlich. Ich verspreche aber sofort, dass es das einzige Kapitel des Buches sein wird, in dem noch über irgend etwas gejammert oder geklagt wird. Das Folgende muss aber einmal ausgesprochen werden!Die Zeiten ändern sich. Und die Orte, die Straßen, die Menschen, die Lebensgewohnheiten ändern sich mit ihnen. Das finden die Alten manchmal traurig. Die Jungen finden das überhaupt nicht schlimm. Ich bin einer von den Alten.In der Palliener Straße, der 300 Meter langen Hauptstraße des Trierer Stadtteils Pallien, in dem ich aufgewachsen bin, gab es zu meiner Kindheit: eine Hutmacherin, eine Gemüsehändlerin, ein Lebensmittelgeschäft, eine Metzgerei, eine Polsterwerkstatt, eine Schneiderwerkstatt, ein Malergeschäft, einen Molkereiausschank, einen Schuster, zwei Bäckereifilialen und eine Gastwirtschaft. Außerdem gab es die Kirche, in der die drei Sonntagsmessen bis auf den letzten Platz gefüllt waren. Es gab auch eine Familie, die eine Kuh hielt, da konnte man seine Kanne frische Milch holen. Und 1949, glaube ich, gab es das erste Auto. Das war ein Opel P4. Der stand vor dem Stammhaus eines heute weltweit wirkenden Industrieunternehmens.Die Palliener Straße hätte man 1950 komplett zu einem völkerkundlichen Reservat erklären können.Heute finden wir in der Palliener Straße kein einziges Geschäft mehr, eine meist abgeschlossene Kirche und sehr viele Autos. Sonst nichts. Natürlich wohnen immer noch Menschen da, darunter auch noch einige, die schon immer dort zu Hause waren. Aber die meisten Bewohner, viele Studenten darunter, sind irgendwie zufällig dort gelandet und haben kaum emotionale Bindung zum Ort. ... Was ich hier am Beispiel der Palliener Straße darstelle, gilt genau so auch für alle anderen dörflichen Trierer Vororte. In St. Matthias, Medard, Heiligkreuz, Olewig, Kürenz, im Maar oder in Zurlauben wurde untereinander Platt gesprochen, und es gab feine Sprachunterschiede zwischen den einzelnen Orten. In der Stadt selb st, also innerhalb des heutigen Alleenrings, lebten die beiden Sprachen, das "Kurtrierische" und Hochdeutsch, in friedlicher Koexistenz. ... Das ist aber jetzt alles gut zwei Generationen her. In dieser Zeit hat das Trierer Platt als selbstverständliche Sprache des Alltags seine Bedeutung verloren. Das Hochdeutsche hat triumphiert, und was ich hier als die enttäuschende Gegenwart der Idylle meiner Kindheit schildere, ist beispielhaft für den Wandel, wie er sich seit der Nachkriegszeit in unendlich vielen Dörfern und Stadtteilen abgespielt hat. ...