Alban Berg - erzählender Komponist, komponierender Erzähler
Verlag | Edition Text und Kritik |
Auflage | 2023 |
Seiten | 540 |
Format | 20,0 x 2,9 x 24,7 cm |
Mit Lesebändchen | |
Gewicht | 962 g |
ISBN-10 | 3967078345 |
ISBN-13 | 9783967078343 |
Bestell-Nr | 96707834A |
Der gebürtige Wiener Alban Berg (1885-1935) schuf gefühlvolle Erzählungen - in seiner Musik, aber auch in Worten. Sein "eigener Lebens- und Liebesroman" schenkte ihm "Stunden äußerster seelischer Befriedigung", wie er 1910 an seine spätere Frau Helene schrieb. Dem Kollegen Anton Webern teilte er 1914 mit: "Bevor ich komponierte, wollte ich überhaupt Dichter werden". Das Erzählen war fester Bestandteil seines Lebens und kompositorischen Schaffensprozesses und prägte auch seinen Umgang mit der eigenen Biografie.Alban Bergs "Lyrische Suite" veranlasste seit ihrer Uraufführung 1927 Publikum, Presse und Forschung zu Spekulationen über womöglich in ihr verborgene, hoch emotionale Programme. Die 1976 entdeckte, bis dahin 'geheim' gehaltene annotierte Partitur schien dies zu bestätigen: Sie schrieb dem Streichquartett einen in der Biografie ihres Autors verankerten Inhalt ein. Dieser wurde daraufhin in vielen Untersuchungen als wesentlicher Schlüssel zum Verständnis von Bergs Musik betrac htet, was zahlreiche interpretatorische Narrationen nach sich zog. Dabei steht die "Lyrische Suite" mit ihrer Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte beispielhaft für den 'narrativ' arbeitenden Komponisten Berg, der Urheber einer Vielzahl von Erzählungen ist, die mit dem Streichquartett verknüpft sind.Das Buch beleuchtet erstmals und aus überraschenden Perspektiven das narrative Potenzial der "Lyrischen Suite" nicht nur im Hinblick auf ihr "geheimes Programm", sondern untersucht die sich überlagernden, vom jeweiligen Adressaten abhängigen, teils autofiktiven Erzählungen und Narrative rund um das Werk. Im Zentrum steht dabei immer Berg selbst, der, wie seine zahlreichen Briefe, Gedichte und (Jugend-)Dramen belegen, stets ein leidenschaftlicher Erzähler nicht nur in Tönen, sondern auch in Worten gewesen ist.
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung1. Grundlagen: Narrativität, narrative Theorien und methodologisches Herangehen1.1 Ausdrucksformen der Narrativität1.2 Definitionen des Narrativen: ihr Aufbau, ihre Rezeption1.3 Musikologische narrative Theorien1.4 Übersicht und methodologische Grundlagen2. Voraussetzungen eines 'erzählenden Komponisten' und 'komponierenden Erzählers'2.1 Biografische Hintergründe2.2 Berg als Erzähler2.3 Stilmerkmale2.4 Zusammenfassung3. Der einzige Brief, "der Sinn hat" - eine Analyse der (musikalischen) Narration für Hanna Fuchs3.1 Forschungsstand3.2 Die Annotierte Partitur der "Lyrischen Suite"3.3 Analyse der Narration in der "Lyrischen Suite"3.4 Zusammenfassung4. Die "Lyrische Suite" und ihre Adressaten4.1 Relation zwischen Adressaten und Adressant4.2 Die Adressaten der "Lyrischen Suite"5. Berg als Sich-Erzähler5.1 Exkurs: Anny Askenase5.2 Stilmerkmale und ausgewählte Topoi in den Briefen Bergs5.3 Resümee: Autofiktionales Erzählen als kompositorischer SelbstzweckLiteraturverzeichnisAn hangAnhang 1 - Übersicht über Bergs Annotationen im "Presto delirando" nach George PerleAnhang 2 - DiskografieAnhang 3 - Alban Berg an Anny Askenase (1932-1933)Anhang 4 - AbbildungsverzeichnisDanksagung
Rezension:
"Man hatte schon lange geahnt, dass Alban Berg mit seiner 'Lyrischen Suite' mehr als nur einen wundersam geschwungenen und schimmernden Klassiker der Zwölfton-Moderne komponiert hatte. Nun hat die Musikwissenschaftlerin Nicole Jost-Rösch mit ihrer umfang- und faktenreichen Untersuchung und mit geradezu detektivischem Spürsinn noch einmal diesen musikalischen 'Liebesbrief' und all die Entstehungsumstände näher beleuchtet. Darüber hinaus wirft Jost-Rösch einen grundlegenden Blick auf den musikalischen, aber vor allem den literarisch ambitionierten Erzähler Alban Berg. Gegen Ende begegnet man dem (verheirateten) Frauenheld Berg noch ein weiteres Mal - in dem hier erstmals editierten Briefwechsel zwischen ihm und Anny Askenase, der Gattin des Pianisten Stefan Askenase."Guido Fischer, RONDO, 1/2024