In dem autobiographischen Fragment seiner Kindheitsgeschichte sagt Stifter, sein Leben sei einfach gewesen «wie ein Halm wächst»; und über die Erscheinungen dieses Lebens, die ihm ein Rätsel waren, vor dessen Abgrund er in Staunen und Ohnmacht stand, geriet er in dieselbe Verwunderung wie über das Wunder, das ihm das kleinste Sandkörnchen war. Ein Kenner der Natur wie er wußte, was es mit dem Wachstum des Halms auf sich hat: daß er sich aus dem mütterlichen Erdreich emporkämpft, dann in Abständen kräftige Knoten entwickelt, aus denen Blatt um Blatt hervorsprießt, und daß Fröste und Gluten, Schauer und Stürme ihn mit Vernichtung bedrohen. Von solcher paradoxen Einfachheit war Stifters Leben.
Urban Roedl (Pseud., eigentl. Bruno Maria Adler), geboren 1889 in Karlsbad, Österreich-Ungarn, als Sohn jüdischer Eltern. Studium der Philosophie, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft in Wien, Erlangen und München, Promotion 1917. 1919-1924 Vorlesungen über Kunstgeschichte am Bauhaus, 1920-1930 Lehrer für Kunstgeschichte an der Staatlichen Kunstakademie Weimar. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland Flucht nach Prag, 1936 Übersiedlung nach England. Zeitweise Lehrer an der Bunce Court School (auch New Herrlingen School genannt), einer Landschule für emigrierte jüdische Kinder. Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Adler in der deutschsprachigen Abteilung der BBC. Nach dem Krieg Chefredakteur der Zeitschrift «Neue Auslese aus dem Schrifttum der Gegenwart», herausgegeben von der U.S. Information Services Division. Rundfunkredakteur im deutschen Programm der BBC. Bruno Adler starb 1968 in London.
Publikationen als Bruno Adler und als Urban Roedl sowohl vor als auch nach dem Krieg vor allem zu Adalbert Stifter, zu Matthias Claudius und dem Weimarer Bauhaus.
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