Der Weg des Berliner Lyrikers Ulrich Grasnick zu Johannes Bobrowski führt ihn von Berlin-Friedrichshagen in dessen Geburtsstadt Tilsit, dem heutigen Sowjetsk. Grasnicks Gepäck sind zwei Gedichtbände Bobrowskis und ein paar eigene Manuskriptseiten. Auf den Straßen der Stadt hält er Ausschau nach dem "grünen Gesicht", der mit Kupferspan überzogenen Gedenktafel für den Dichter. Nach seinem alten Stadtplan findet Grasnick die Tafel am Geburtshaus in der Smolenskaja, der früheren Grabenstraße.Immer wieder überschneiden sich Bilder und Eindrücke von Ort und Landschaft. Im städtischen Museum von Sowjetsk stößt Grasnick auf die Totenmaske Bobrowskis. Dessen geschlossene Augen sind tief ins Innere gerichtet, sie nehmen den Betrachter gefangen. Der rätselhaft friedvolle Gesichtsausdruck des Toten ist Anlass für einen Rückblick auf Lebenssituationen des Dichters, verankert im Ort, am Ufer, am Strom.
Ulrich, GrasnickDer Lyriker Ulrich Grasnick wurde am 4. Juni 1938 in Pirna geboren. Nach Gesangsstudium studierte er an der Hochschule für Musik Dresden Gesang. Von 1966 bis 1973 gehörte er zum Ensemble der Komischen Oper Berlin unter Walter Felsenstein. Seine Ehefrau, die Lyrikerin Charlotte Grasnick, geborene Müller, starb 2009.Neben seinen ersten, im Verlag der Nation Berlin erschienenen Gedichtbänden Der vieltürige Tag (1973), Gespräch mit dem Spiegel (1973) und Ankunft der Zugvögel (1976) sind all jene hervorzuheben, in denen Ulrich Grasnicks enge Beziehungen zur Malerei erkennbar sind. Mit dem Maler Wilhelm Lachnit verband die Grasnicks eine lange Freundschaft. Für Ulrich Grasnick war die Begegnung mit Marc Chagall in St. Paul de Vence im Jahr 1977 prägend - eine Hommage an ihn sind Liebespaar über der Stadt (1979, Verlag der Nation Berlin), Hungrig von Träumen (1990, Verlag der Nation Berlin) Im Klang einer Geige geborgen ein Traum (2006, Verlag UN ART IG Aschersleben) und Fermate der Hoffnung. (2018, ANTHEA Berlin). Künstlerische Herausforderungen blieben Maler und ihr Werk wie Karl Schmidt-Rottluff (Pastorale,1978, Verlag der Nation Berlin), Pablo Picasso (Das entfesselte Auge, 1988, Verlag der Nation Berlin), und Stefan Friedemann (Fels ohne Eile, 2003, Edition der Lesebühne der Kulturen Berlin-Karlshorst). Ulrich Grasnick ist Herausgeber von Zwei Ufer hat der Strom. Deutsch-polnische Beziehungen im Spiegel deutschsprachiger Dichtung aus 150 Jahren (1983, Verlag der Nation Berlin). Er ist selbst in vielen Anthologien vertreten, so auch mit Gedichten zu Johannes Bobrowski in Ahornallee 26 oder Epitaph für Bobrowski (1977, Union Verlag Berlin) und Sarmatien in Berlin (2015, Verlag für Berlin-Brandenburg). Ulrich Grasnick war Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR und gehört seit 1990 dem Verband Deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller (VS) an. Seit Jahren leitet er das Köpenicker Lyrikseminar und die Lesebühne der Kulturen Adlershof. Der Peruanische Schriftstellerverband zeichnete Ulrich Grasnick mit der Goldenen Medaille des Hauses des Peruanischen Dichters in Lima und mit der Ehrenmitgliedschaft aus.Ulrich Grasnick lobt seit 2017 einen Lyrikpreis aus. Der Ulrich-Grasnick-Lyrik-Preis wird jährlich an zwei Autorinnen/Autoren vergeben.
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