Verlag | Piper |
Auflage | 2011 |
Seiten | 224 |
Format | 12,0 x 19,0 x 1,9 cm |
Gewicht | 214 g |
Reihe | Piper Taschenbuch 5950 |
ISBN-10 | 3492259502 |
ISBN-13 | 9783492259507 |
Bestell-Nr | 49225950A |
Die betagte Autorin erzählt, wie es wirklich ist, nicht mehr die Jüngste zu sein. Denn auch wenn die Gesellschaft nur ein Ziel zu kennen scheint - so alt wie Methusalem zu werden - hat das Alter doch so seine Tücken ...
Leseprobe:
Altes Eisen
Ab wann gehört man eigentlich dazu? Als Berufstätiger in manchen Branchen schon ab fünfzig, und bei der Agentur für Arbeit wird man bereits mit vierzig als schwer vermittelbar eingestuft. Allerdings sind für die Wirtschaft auch die älteren Jahrgänge, solange sie fleißig konsumieren, noch einigermaßen rentabel. Aber wenn unsere Politiker mit einer stetig anwachsenden Zahl von Mitbürgern zwischen achtzig und hundert konfrontiert werden, möchten sie sich am liebsten die Decke über den Kopf ziehen und murmeln: "O Gott, die Kosten, die Kosten!" Und unser durchaus die Macht genießender Altbundespräsident, selbst nicht mehr der Jüngste, finanziell gut gepolstert und mit jungem Glück an seiner Seite, sieht das Problem hoch politisch und spricht wie gewohnt markig aus, was für ihn Sache ist: "In unserer Demokratie bekommen die Alten zu viel Macht."
Eins lässt sich jedenfalls zum Thema Alter sagen: Es kommt früher, als man denkt, und später, als man glaubt. Letzteres gilt allerdings überwiegend für die Herren, besonders die in meinem Alter, die bekannterweise kriegsbedingt in der Minderzahl sind.
Bei diesem Thema fällt mir jedes Mal die Geschichte eines Wildkaninchenforschers ein, in der ein Karnickelbock die Hauptrolle spielte. Dieses Tier war, wie man heute sagen würde, ein Loser. Seine Mutter hatte ihm, aus welchen Gründen auch immer, ein Ohr abgeknabbert, und auf einem Auge war er blind. Ausgeschlossen von der Karnickelgemeinschaft kümmerte er traurig vor sich hin und war so ängstlich, dass er bereits vor Entsetzen quäkte, wenn ihm eine Kastanie auf den Rücken fiel. Doch dann kam für ihn die große Stunde: Eine Seuche dezimierte den Karnickelstamm auf ein Minimum und raffte vor allem die Karnickelmännchen dahin. Übrig blieb ein Häufchen klein, und der sich bereits jenseits der besten Jahre befindliche Loser wurde plötzlich von den Damen umworben, und man machte ihm respektvoll Platz, wenn er auf eine Stelle saftigen Grases mehr zuhumpelte al s hoppelte, denn inzwischen war ihm auch noch ein Bein verloren gegangen.
Wie man sieht, haben also Männer, häufiger als Frauen, bis ins hohe Alter noch eine Chance, dem "alten Eisen" mit einer neuen Partnerin zu entkommen, wie es sich gelegentlich ja auch in den Seniorenheimen zeigt. Da ist der Mann noch was wert und leidet eher unter allzu großer weiblicher Fürsorge. Etwas, was für uns alte Frauen umgekehrt weniger zu befürchten ist. Und so ist auch nur die Meldung "Neunundneunzigjährige heiratet Fünfundsechzigjährigen " in den Medien eine Schlagzeile wert.
Aber ob männlich oder weiblich, eins haben wir im Alter gemeinsam: Wir fühlen uns schnell unzufrieden und immer "irgendwie": "Irgendwie klappt das alles nicht mehr so" "Irgendwie habe ich das Gefühl, ich müsste mal zum Arzt." Jetzt bestimmt der Körper das Tempo, und das nach Lust und Laune. Man sollte ihn also möglichst nicht dazu treiben, Dinge zu tun, die schon einem Dreißigjährigen schwerfallen, wie hohe Berge zu bez wingen oder an einem Marathonlauf teilzunehmen.
Wann eigentlich gehört man denn nun wirklich zum alten Eisen? Hier einige nicht immer ganz ernst gemeinte Hinweise. Man gehört dazu,
- wenn einen die Bauarbeiter nicht mehr mit Mädchen, sondern mit junge Frau anreden;
- wenn man aufsteht und der Tag ist rum;
- wenn im Bus junge Leute nicht wie üblich angestrengt aus dem Fenster sehen, während man einen Platz sucht, und sich schließlich nur einer von ihnen zögernd erhebt, sondern nun gleich ein halbes Dutzend;
- wenn der Tischherr sich freundlich anbietet, einem das Fleisch zu schneiden;
- wenn unsere alltäglichen wie sonstigen Tätigkeiten als "Beschäftigung" oder "Aufgabe" bezeichnet werden;
- wenn junge Frauen einem nicht nur in den Mantel helfen, sondern ihn auch fürsorglich zuknöpfen;
- wenn freundliche Menschen an der Ampel auf das Männchen zeigen und einem "grün! grün!" zurufen;
- wenn einen beim Spaziergang stürmische Läufer weit