Die letzten Vorlesungen Michel Foucaults am Collège de France sind der parrhesia gewidmet: der freimütigen, öffentlichen, aufbegehrenden Rede. Es ist das große Thema seines späten Denkens: der Mut zur Wahrheit, mit dem das aufrichtige Sprechen in die Politik eingreift. In einer neuen Lektüre von Platons Siebtem Brief beschreibt er, wie sich dieser öffentliche Sprechakt mit dem Verfall der griechischen Stadtstaaten zu einer persönlichen Anrede des Fürsten wandelt. Zugleich unterzieht er eine Reihe von topoi der antiken Philosophie einer grundlegenden Revision: die Figur des Philosophen-Königs, die platonische Verurteilung der Schrift und Sokrates' Ablehnung einer Redekunst, die im politischen Ehrgeiz gründet.Die Regierung des Selbst und der anderen erschließt das vergessene ethische Fundament der athenischen Demokratie. Sie bildet den Auftakt der beiden Vorlesungsreihen der Jahre 1982-84, in denen Foucault nicht weniger formuliert als sein philosophisches Vermächtnis. Niemand wird diese Texte lesen können, ohne in ihnen Foucaults Mut zur Wahrheit wiederzuerkennen. Es ist nicht zuletzt die eigene Denk- und Lebensform, die er in seiner Lektüre antiker Texte befragt und bestimmt.
Rezension:
»Gut lesbar, als ebenso geduldiger wie ideenreicher Durchgang durch die überlieferte Textwelt der Antike angelegt.« Petra Gehring Frankfurter Allgemeine Zeitung 20091130
Foucault, MichelPaul-Michel Foucault wurde am 15. Oktober 1926 in Poitiers als Sohn einer angesehenen Arztfamilie geboren und starb am 25. Juni 1984 an den Folgen einer HIV-Infektion. Nach seiner Schulzeit in Poitiers studierte er Philosophie und Psychologie in Paris. 1952 begann seine berufliche Laufbahn als Assistent für Psychologie an der geisteswissenschaftlichen Fakultät in Lille. 1955 war er als Lektor an der Universität Uppsala (Schweden) tätig. Nach Direktorenstellen an Instituten in Warschau und Hamburg (1958/1959) kehrte er 1960 nach Frankreich zurück, wo er bis 1966 als Professor für Psychologie und Philosophie an der Universität Clermont-Ferrand arbeitete. In diesem Zeitraum erschien 1961 seine Dissertationsschrift Folie et déraison. Histoire de la folie à l'âge classique (dt.: Wahnsinn und Gesellschaft). Er thematisierte darin die Geschichte des Wahnsinns und das Zustandekommen einer Abgrenzung von geistiger Gesundheit und Krankheit und die damit einhergehenden sozial en Mechanismen. 1965 und 1966 war er Mitglied der Fouchet-Kommission, die von der Regierung für die Reform des (Hoch-)Schulwesens eingesetzt wurde. 1966 wurde Les mots et les choses - Une archéologie des sciences humaines (dt.: Die Ordnung der Dinge) veröffentlicht, worin er mit seiner diskursanalytischen Methode die Wissenschaftsgeschichte von der Renaissance bis ins 19. Jahrhundert untersuchte. Nach einem Auslandsaufenthalt als Gastprofessor in Tunis (1965-1968) war er an der Reform-Universität von Vincennes tätig (1968-1970). 1970 wurde er als Professor für Geschichte der Denksysteme an das renommierte Collège de France berufen. Gleichzeitig machte er durch sein vielfältiges politisches Engagement auf sich aufmerksam. In diesem Kontext entstand die Studie Surveiller et punir (dt.: Überwachen und Strafen). 1975-1982 unternahm er Reisen nach Berkeley und Japan sowie in den Iran und nach Polen.
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