Die schönsten Jahre - Vom Glück und Unglück der Liebe
Verlag | Hanser |
Auflage | 2009 |
Seiten | 61 |
Format | 18,4 cm |
Gewicht | 208 g |
ISBN-10 | 3446252460 |
ISBN-13 | 9783446252462 |
Bestell-Nr | 44625246A |
Obwohl jedes Treffen in einem Eklat endet, besucht Nina ihre Mutter immer wieder. Eine Besserung der Beziehung scheint nicht in Sicht. Und nun will Ninas Mutter plötzlich mit auf die Reise nach Italien. Ausgerechnet jetzt, wo Nina gerade frisch verliebt ist - in eine Frau. So etwas kann man seiner Mutter doch nicht erklären. Oder? Elke Heidenreich erzählt von dem Verhältnis zwischen Mutter und Tochter, von Geheimnissen zwischen Freundinnen, die unerwartet ans Licht kommen, und von schlechten und von schönsten Jahren.
Leseprobe:
"Nie wäre ich auf die Idee gekommen, mit meiner Mutter zu verreisen, schon gar nicht nach Mailand, und schon gar nicht jetzt, wo ich Flora wiedersehen wollte. Aber da stand sie vor mir, klein und energisch, funkelte mich an und sagte: 'Warum nimmst du mich nicht einfach mit? Italien! Das wär mal ein schönes Geschenk. Vielleicht ist dieser Geburtstag ja mein letzter.'
Das sagte sie seit ungefähr zwanzig Jahren - dieses Weihnachten ist mein letztes, den nächsten Geburtstag erlebe ich nicht mehr, ich merke, daß die Kräfte schwinden, oder, ihr Lieblingssatz, wenn sie mal einen kleinen Schnupfen hatte: 'Ich bin nur noch ein Mensch von einem Tag.' Das waren alles Erpressungsversuche. Ging es ihr besser oder waren Weihnachten, Ostern, Geburtstag vorbei, straffte sie sich sofort wieder und wußte, daß sie richtig daran getan hatte, sich einen schwarzen Nerzmantel zu kaufen und keinen braunen, denn so könnte sie auf meiner Beerdigung eine bessere Figur machen, und sollte sie wirklich vor mir sterben, Gott, dann könnte ich ihn ja bei ihrer tragen.
'Das ist viel zu anstrengend für dich', sagte ich ausweichend und stellte mir eine Autofahrt mit meiner Mutter vor.
'Wenn du es aushältst, werde ich es auch aushalten«, sagte sie. 'Mailand! Das muß schön sein.' 'Gerade Mailand ist gar nicht so schön', sagte ich, und prompt kam zurück: 'Warum fährst du denn dann hin? Schon wieder so ein Kerl?' Ich schwieg bockig und setzte das von ihr so genannte chinesische Gesicht auf süßsauer: 'Oh, das chinesische Gesicht', sagte sie, 'ich frag nicht mehr, ich frag nicht mehr, jeder muß selbst wissen, wie er sich unglücklich macht.' 'Oder glücklich', ich konnte es nicht lassen, und sie sagte: 'Schön wär's ja mal.'
'Ich treffe da eine Frau, mit der ich arbeite', sagte ich schließlich. 'Was arbeitest du denn mit einer Italienerin?' fragte sie mißtrauisch. Ich wurde ungeduldig. 'Mutter', sagte ich, 'das ist doch jetzt ganz egal, was ich da mache, es ist eine lange Fahrt, es is t heiß, es ist anstrengend, ich bleibe zwei oder drei Wochen, wie willst du denn zurückkommen?' 'Herrgott, es gibt doch Flugzeuge', sagte sie, 'ich könnte zwei Tage bleiben und dann zurückfliegen, und Klaus holt mich ab.'
Meine Mutter war erst einmal geflogen, nach Berlin zur Beerdigung ihrer Schwester Luzie, und nun redete sie, als hätte sie die Miles-and-more-Karte für Vielflieger und wäre dauernd unterwegs. Klaus war irgendein Großneffe, der in der Nähe wohnte und sich manchmal um sie kümmerte ..."