Verlag | Edition Nautilus |
Auflage | 2024 |
Seiten | 216 |
Format | 12,0 x 2,5 x 21,0 cm |
Großformatiges Paperback. Klappenbroschur | |
Gewicht | 284 g |
Reihe | Flugschrift |
ISBN-10 | 3960543468 |
ISBN-13 | 9783960543466 |
Bestell-Nr | 96054346A |
Nippel sind banal - oder erotisch. Normal - oder skandalös. Alltag - oder Gerichtssache. Was den feinen Unterschied macht, ist das (zugeschriebene) Geschlecht des Menschen, zu dem die Nippel gehören. Und es ist auch dieser feine Unterschied, der den Nippel immer wieder zu einem Politikum macht. Als Gabrielle Lebreton sich 2021 an einem Berliner Wasserspielplatz oben ohne neben ebenfalls halbnackten Männern sonnen will, wird sie ermahnt, die Polizei wird gerufen und sie verliert im Nachgang vor Gericht - zumindest in erster Instanz. Im gleichen Jahr erstreiten Aktivist_innen in Göttingen, dass in Schwimmbädern alle Geschlechter oben ohne baden dürfen - allerdings nicht am Wochenende. Und während Social-Media-Konzerne sich beim Eindämmen von Hate Speech und Fake News schwer tun, müssen weibliche Nippel sorgfältig zensiert werden. Aus Angst wovor eigentlich?Julia Fritzsche blickt zurück in die Geschichte der Ver- und Enthüllung menschlicher Körper, um Rückschlüsse auf einen politisch en Kampf im Heute zu ziehen. Wann wurde die weibliche Brust erotisch, wann dominierte historisch Scham und wann Befreiungsdrang? Lassen sich weibliche Nippel im öffentlichen Raum entskandalisieren ? Wie die aktuellen Kämpfe um #FreeTheNipple ausgehen, ist offen. Klar ist aber: Der Umgang mit unseren Brüsten ist politisch - und es geht um mehr als um die Badeordnung.
Leseprobe:
Natürlich. Solange wir auf diesem Planeten Kriege, Hunger und eine fette Klimakrise haben, wird es immer Wichtigeres geben. Solange wir auch im reichen Europa Nazis, Armut und Gewalt gegen Frauen, Queere und Migrantisierte haben, wird es immer Wichtigeres geben. Und ja, auch für Frauen ist »Free the Nipple« nicht die Lösung für alles. Auch wenn wir alle Nippel befreit haben, haben wir mutmaßlich noch häusliche Gewalt, ungleiche Löhne, ungleiche Arbeiten und ungleiche Preise beim Friseur. Doch das »oben ohne«-Verbot fördert die Idee, dass es zwei Geschlechter gibt und eines davon privilegierter ist. Und es befördert die Idee, dass der eine Körper Objekt ist, der andere Subjekt. Wer darf frei über seinen Körper verfügen, wer nicht? Wer bestimmt selbst, ob der Anblick des eigenen Körpers okay ist oder strafbar? Es gibt keine faktische Macht ohne symbolische Macht. Faktische Macht im Sinne von Ressourcen, Entscheidungshoheit und Gewalthoheit fußt auf Erzählungen und Bildern, die den M achthabenden diese Macht zusprechen. Wenn Badepersonal, Barkeeper, Gastwirte oder Polizei entscheiden können, ob eine »Frau« sich obenrum auszieht, nicht aber darüber, ob ein »Mann« sich obenrum anzieht, macht das ein Gefälle klar. Dieses Gefälle ist so schief wie sonst nur unsere Brüste: Eine Seite hat immer mehr als die andere!