Auch vor 2000 Jahren klagten die Menschen schon über die Kürze des Lebens - nicht anders als heute. Immer noch ist deshalb bedenkenswert, was Seneca diesen Klagen entgegenstellt: Entscheidend ist nicht die Zahl der Tage und Jahre, die zur Verfügung stehen, sondern der Gebrauch, den man von der Zeit macht.
Seneca (Lucius Annaeus Seneca, auch Seneca der Jüngere genannt, zwischen 4 v. Chr. und 1 n. Chr. Cordoba - April 65 n. Chr. bei Rom) war unter den Kaisern Caligula und Claudius als Anwalt, Quästor und Senator tätig. Im Jahr 41 ins Exil nach Korsika geschickt, wurde er acht Jahre später zur Erziehung Neros nach Rom zurückberufen. Als Dichter beschäftigte sich Seneca in »Medea«, »Oedipus« und sieben weiteren Tragödien mit Stoffen aus dem griechischen Sagenkreis. Mit der »Apocolocyntosis« (»Die Verkürbissung des Kaisers Claudius«) gelang ihm ein bissiges und scharfzüngiges Pamphlet gegen den Mann, der ihn ins korsische Exil geschickt hatte. Als Philosoph vertrat er in seinen Briefen »Epistulae morales ad Lucilius« (»Briefe an Lucilius über Ethik«) sowie in seinen Abhandlungen, beispielsweise »De vita beata« (»Vom glücklichen Leben«) oder »De tranquillitate animi« (»Von der Ausgeglichenheit der Seele«), die Lehre der Stoa, die Leben und Tod mit Genügsamkeit, Weisheit und Gleichmütigke it entgegentritt. In diesem Geist erscheint auch Senecas Ableben, wie es der Historiker Tacitus in seinen »Annalen« beschreibt: Seneca wurde von Nero, der dem Lehrer zusehends entglitten war, der Teilnahme an der Pisonischen Verschwörung beschuldigt und zum Selbstmord gedrängt - einem Befehl, dem der Philosoph laut Tacitus stoisch Folge leistete. Marion Giebel ist Klassische Philologin und arbeitet als freie Autorin, Übersetzerin und Herausgeberin. Sie ist bekannt durch zahlreiche altertumswissenschaftliche Publikationen und Rundfunksendungen über historische Gestalten oder kulturgeschichtliche Themen der griechisch-römischen Antike.
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