Eine erschreckend aktuelle Reflexion über den Krieg als Strategie
1915 veröffentlichte der Soziologe Émile Durkheim sein letztes Buch, das auch mehr als hundert Jahre später nichts an Brisanz und Aktualität verloren hat. Es ist ein verfemter Text, in dem er Deutschland und die Deutschen erkundet und den Ursprung des Ersten Weltkrieges ergründet. Dabei vertritt er eine kompromisslose Ablehnung des Nationalismus und fordert seine Leser auf, über Souveränität, Demokratie und Freiheit zu reflektieren. Marie Rotkopf lädt uns ein, diesen Text wiederzuentdecken, setzt in ihrem leidenschaftlichen Essay diese Reflexion fort und kommt zu dem Schluss: Hätten wir Durkheim genauer zugehört, wäre die Geschichte vielleicht einen anderen Weg gegangen. Sie stellt sich der Frage, warum dieser Text, der das Denken eines der weltweit wichtigsten Gründer der Soziologie zusammenfasst, kaum rezipiert wurde, obwohl Durkheim uns damit ein erschütternd-aufschreckendes Buch geschenkt hat: Ein visionäres Buch, dem vor allem vor dem aktuellen Hintergrund der deutschen Aufrü stung neue Bedeutung zukommt. In
Marie Rotkopf, 1975 in Paris geboren, ist Autorin, Dichterin und Kulturkritikerin. Sie lebt seit mehreren Jahren in Deutschland, um darüber nachdenken zu können, was aus Europa geworden ist. Rotkopf beschäftigt sich mit der Konstruktion und Kommunikation von Macht. Sie interessiert sich für die Umschreibung der Geschichte und für die Poesie der Welt. Émile Durkheim, 1858 in Épinal geboren, gilt mit seinem Werk heute als Klassiker der Soziologie. Zunächst war er an Gymnasien als Philosophielehrer tätig, 1885 bis 1886 studierte er in Deutschland u. a. bei Wilhelm Wundt, und erhielt 1887 einen Lehrauftrag für Sozialwissenschaft in Bordeaux, wo er 1896 der Inhaber des ersten französischen Lehrstuhls für Pädagogik und Soziologie wurde. Während dieser Zeit verfasste er drei seiner wichtigsten Schriften: Über soziale Arbeitsteilung (seine Dissertationsschrift, 1893), Die Regeln der soziologischen Methode (1895) und Der Selbstmord (1897). 1896 gründete er die Zeitschrift L'Année Sociologique, die er bis 1908 selbst herausgab, und die Nukleus der sogenannten Durkheimianer wurde, einer Gruppe von ca. vierzig Wissenschaftlern und Autoren. 1898 veröffentlichte er den Essay L'Individualisme et les intellectuels, in dem er sich gegen die Gegnern einer Revision von Dreyfus' Verurteilung richtet und der Behauptung widersprach, die Intelle ktuellen würden mit ihrer Kritik an Militär und Staat das Land in Anarchie stürzen. Er verfasste noch eine Reihe anderer wichtiger Werke, wie Die elementaren Formen des religiösen Lebens, und starb 1917 in Paris.
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